Kortison in niedrigen Dosen – Weniger Nebenwirkungen als befürchtet

Eine Charité-Studie untersucht schwach dosierte Glukokortikoide bei Rheumatoider Arthritis und stützt sich auf Daten von mehr als 1100 Personen.

Bei Rheumatoider Arthritis ist Kortison sehr wirksam, Kortison-Präparate helfen etwa gegen die Entzündung in den Gelenken, mindern Schmerzen und lindern die krankheitsbedingte körperliche Behinderung. Außerdem werden die Gelenke deutlich weniger geschädigt.

Medizinische Leitlinien raten aber von einer längerfristigen Einnahme ab. Grund sind eine Reihe von Nebenwirkungen – die allerdings vor allem bei den früher üblichen hohen Dosierungen beobachtet wurden. Zur Verabreichung von kleinen Mengen Kortison über einen längeren Zeitraum gibt es dagegen wenig aussagekräftige Daten. Eine Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin im Journal „Annals of Internal Medicine” zeigt jetzt: Zumindest der Blutdruck steigt nach zweijähriger Therapie mit niedrig dosiertem Kortison nicht an. Und die oft befürchtete Gewichtszunahme fällt mit rund einem Kilogramm moderat aus.

Kortison wird entgegen Leitlinien verwendet

„Weil Kortison-Präparate so gut gegen die Rheumatoide Arthritis helfen, nehmen 30 bis 50 Prozent der Betroffenen sie auch zwei Jahre nach der Diagnose noch – und zwar entgegen den aktuellen medizinischen Leitlinien und Empfehlungen“, erklärt Dr. Andriko Palmowski, Erstautor der Studie von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie der Charité. „Die Leitlinien und Empfehlungen raten eigentlich, Kortison – wenn überhaupt – nur vorübergehend zu verabreichen, weil sonst relevante Nebenwirkungen zu befürchten sind.“ Allerdings: Viele dieser Nebenwirkungen sind für die früher viel häufiger verabreichten hohen Kortison-Dosierungen gut belegt, für die heute bevorzugten geringeren Mengen ist die Datenlage weniger eindeutig. Palmowski: „So genau wissen wir also gar nicht, wie stark die Nebenwirkungen bei niedrig dosierten Kortison-Präparaten sind.“

In der Vergangenheit hatten einige Beobachtungsstudien beispielsweise darauf hingedeutet, dass eine langfristige Einnahme von geringen Mengen Kortison bei Rheumatoider Arthritis den Blutdruck ansteigen lässt und zu einer Gewichtszunahme führt. „Allerdings haben Beobachtungsstudien aufgrund verschiedener verzerrender Effekte nur eine begrenzte Aussagekraft“, betont Prof. Frank Buttgereit, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie der Charité und Leiter der Studie. Für eine stärkere Beweiskraft benötige man ein höherwertiges Untersuchungsdesign. Randomisierte kontrollierte Studien habe es sogar schon eine Handvoll gegeben, für eine statistisch verlässliche Analyse der beiden Nebenwirkungen hatte jede für sich genommen jedoch zu wenige Patienten und Patientinnen eingeschlossen.

Charité-Studie analysiert Daten von über 1100 Personen

Das Charité-Forschungsteam holte deshalb von fünf der bereits abgeschlossenen randomisierten kontrollierten Studien die Messwerte zu Blutdruck und Körpergewicht ein und analysierte diese gemeinsam. So kamen Daten von insgesamt mehr als 1100 Menschen mit Rheumatoider Arthritis aus zwölf europäischen Ländern zusammen, die über zwei Jahre hinweg niedrig dosierte Kortison-Präparate oder ein Scheinpräparat beziehungsweise Kontrollmedikamente erhalten hatten. Alle Patienten und Patientinnen hatten zudem, wie üblich, eine dauerhafte Begleitmedikation zur besseren Eindämmung der Erkrankung bekommen. Das Ergebnis: Unter der Kortison-Therapie veränderte der Blutdruck sich nicht signifikant, und die Betroffenen nahmen im Schnitt nur 1,1 Kilogramm mehr zu als die Teilnehmenden in der Kontrollgruppe. Ähnliches galt auch für Risikopatienten, die zu Studienbeginn bereits übergewichtig waren oder einen hohen Blutdruck hatten.

„Die Ergebnisse unserer Studie machen die Leitlinien nicht obsolet, denn Glukokortikoide können auch andere schwerwiegende Nebenwirkungen wie Osteoporose, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder eine Neigung zu Infektionen mit sich bringen“, resümiert Buttgereit. „Aber für viele Rheuma-Betroffene und auch ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte ist die Sorge vor einem Blutdruckanstieg und einer Gewichtszunahme ein wichtiges Entscheidungskriterium für oder gegen eine Kortison-Therapie. Das sollte sie jedoch nicht sein, weil beide Effekte – wie unsere Ergebnisse zeigen – keine große Relevanz haben. Stattdessen sollte die Entscheidungsfindung eher die anderen Nebenwirkungen in den Blick nehmen.“

Um das Für und Wider einer Therapie mit niedrig dosiertem Kortison künftig noch besser abwägen zu können, plant das Charité-Forschungsteam nun, zu weiteren Nebenwirkungen hochqualitative Daten zu sammeln. Als nächstes im Fokus: die Osteoporose.

Originalarbeit: Palmowski A et al. The Effect of Low Dose Glucocorticoids Over Two Years on Weight and Blood Pressure in Rheumatoid Arthritis: Individual Patient Data from Five Randomized Trials. Ann Intern Med 2023 Jul 14. doi: 10.7326/M23-0192Burmester GR et al. Continuing versus tapering glucocorticoids after achievement of low disease activity or remission in rheumatoid arthritis (SEMIRA): a double-blind, multicentre, randomised controlled trial. Lancet . 2020 Jul 25;396(10246):267-276. doi: 10.1016/S0140-6736(20)30636-X.

Quelle: Charité, MedCon Health Contents GmbH
Bildquelle: onefoto via stock.adobe.com

Veröffentlicht am: 24. Oktober 2023Kategorien: Orthopädie

Über das ALBERTUS ZENTRUM

Den „Mensch als Ganzes sehen“ – das ist unsere Leitidee. Deswegen bieten wir fachlich gebündelte Kompetenz in Mönchengladbach – unter einem Dach. Alle Fachbereiche haben ein gemeinsames Ziel: Ihre Gesundheit zu erhalten und Ihr persönliches Gesundheitsempfinden zu stärken.

Die letzten Beiträge