Rückenschmerzen weltweit auf dem Vormarsch: Mehr als 840 Millionen Betroffene in 2050

Zwar sank die altersbereinigte Rate der Menschen mit Schmerzen im unteren Rücken in den letzten 30 Jahren um rund zehn Prozent. Durch die Zunahme und gleichzeitige Alterung der Weltbevölkerung geht eine aktuelle Modellrechnung aber von einem Anstieg der Gesamtzahl der Betroffenen von 619 Millionen in 2020 auf 843 Millionen Mitte des 21. Jahrhunderts aus.
Die Studie internationaler Wissenschaftler unter Leitung von Prof. Manuela Ferreira von der University of Sydney (Australien) erschien jüngst in „The Lancet Rheumatology“ und ist Bestandteil der neuen Global Burden of Disease Study (GBD) 2021.
Seit 2017 ist die Zahl der Menschen mit Schmerzen im unteren Rücken demnach auf mehr als eine halbe Milliarde angestiegen. Im Jahr 2020 gab es rund 619 Millionen Menschen mit dieser Beschwerde. Mindestens ein Drittel der mit Rückenschmerzen verbundenen Invaliditätslast führen die Studienautoren auf berufliche Faktoren, Rauchen und Übergewicht zurück. Die Ergebnisse beruhen auf der Analyse von GBD-Daten aus den Jahren 1990 bis 2020 aus 204 Ländern und Gebieten weltweit. Die GBD stellt das umfassendste Bild zu Mortalität und Behinderung über Länder, Zeit und Alter hinweg dar und ist die erste Studie, die zur Modellierung der zukünftigen Prävalenz von Schmerzen im unteren Rücken herangezogen wird.
Unterschiede nach Alter, Geschlecht und Region
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Rückenschmerzen vor allem Erwachsene im arbeitsfähigen Alter betreffen. Laut der aktuellen Studienergebnisse treten Schmerzen im unteren Rücken jedoch häufiger bei älteren Menschen auf. So steigt die Prävalenz und Morbidität mit dem Alter kontinuierlich an erreicht einen Peak bei 85 Jahren. Weltweit wurde in der Altersgruppe der 80- bis 84-Jährigen die höchste Morbidität durch die Schmerzen im unteren Rücken verzeichnet.
Über alle Altersgruppen hinweg waren Frauen öfter betroffen als Männer – mit einem deutlicheren Unterschied ab 75 Jahren. Eine Erhebung durch das Robert Koch-Institut (RKI) zur Krankheitslast in Deutschland (Burden 2020) ergab ebenfalls, dass Frauen vermehrt unter Schmerzerkrankungen leiden als Männer. Schmerzen im unteren Rücken standen hier – nach der Koronaren Herzerkrankung – auf Platz 2 der Verursacher für die Krankheitslast in Deutschland. Eine telefonische Querschnittbefragung, die zwischen Oktober 2019 und März 2020 unter 5009 Erwachsenen in Deutschland durchgeführt wurde, ergab außerdem, dass 61,3 Prozent der Befragten in den vorausgehenden zwölf Monaten Rückenschmerzen aufwies. Wobei Schmerzen im unteren Rücken etwa doppelt so häufig waren wie Schmerzen im oberen Rücken.
Mit Blick auf die weltweite Verteilung zeigten sich in den letzten 30 Jahren die höchsten Prävalenzen in Mittel- und Osteuropa sowie Zentralasien. Am wenigsten von Kreuzschmerzen waren die Menschen in Südost-Asien, Ost-Asien und in der Großregion Ozeanien. Nach Ansicht der Autoren wird sich die Verteilung der Rückenschmerzfälle weltweit verschieben. Sie erwarten die stärkste Zunahme in Asien und Afrika. „Wir wissen auch, dass die meisten verfügbaren Daten aus Ländern mit hohem Einkommen stammen, was es manchmal schwierig macht, diese Ergebnisse für Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen zu interpretieren. Wir brauchen dringend mehr bevölkerungsbezogene Daten über Rückenschmerzen und Muskel-Skelett-Erkrankungen aus Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen“, kommentiert die Studienautorin Prof. Lyn March aus Sydney.
Aufziehende Krise im Gesundheitswesen abwenden
Das anhaltende Fehlen eines einheitlichen Ansatzes für die Behandlung von Rückenschmerzen und die begrenzten Behandlungsmöglichkeiten lassen die Forschenden befürchten, dass die steigende Zahl von Patienten mit Schmerzen im unteren Rücken zu einer Krise im Gesundheitswesen führen wird, da diese die weltweit häufigste Ursache für Behinderungen sind. „Kreuzschmerzen sind nach wie vor die Hauptursache für Behinderungen weltweit. Die sozioökonomischen Folgen dieser Erkrankung sind beträchtlich, und die körperlichen und persönlichen Auswirkungen stellen eine direkte Bedrohung für ein gesundes Altern dar“, betont Co-Autorin Dr. Katie de Luca.
Dr. Alarcos Cieza, Referatsleiter bei der Weltgesundheitsorganisation am Hauptsitz in Genf, weist auf die erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Folgen von muskuloskelettalen Erkrankungen inkl. unterer Rückenschmerzen hin, „vor allem wenn man die Kosten für die Versorgung bedenkt“. „Jetzt ist es an der Zeit, sich über wirksame Strategien zur Bewältigung der hohen Belastung zu informieren und zu handeln“, bekräftigt Cieza.
Über: GBD 2021 Low Back Pain Collaborators. Global, regional, and national burden of low back pain, 1990–2020, its attributable risk factors, and projections to 2050: a systematic analysis of the Global Burden of Disease Study 2021. Lancet Rheumatol 2023;5(6)316-329.
Quelle: University of Sydney, 22.05.2023
Quelle: MedCon Health Contents GmbH
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